„Was braucht ein Kind, um glücklich zu sein?“

Vor ein paar Jahren hatten wir mal in meinem Lieblings-Elternforum eine Diskussion; ich glaube, es ging um Erwartungen und Erwartungshaltung oder ähnliches. Einige schrieben, sie erwarten nichts oder wenig, sie wollten „nur, dass ihr Kind glücklich ist“. Logisch, oder? Wollen wir das nicht alle ? Eine jedoch schrieb daraufhin etwas, das sich mir ziemlich eingeprägt hat; widersprach es doch so dem, was ich bisher glaubte: „Ich will, dass Du glücklich bist – ist das nicht die größte Erwartung überhaupt? Was bürden wir dem Kind damit auf?“ Als aufgebürdete Last hatte ich diesen heren Elternwunsch zuvor noch nicht betrachtet.

„Ich will, dass Du glücklich bist! (Dann sei es auch, verdammt noch mal!)“

Inzwischen finde ich es einleuchtend – für wen soll ich glücklich sein, für mich selbst oder für Dich ? Trage ich mit meinem Glücklichsein oder Nicht-Glücklichsein dann nicht auch irgendwie die Verantwortung für Dein Glück ? Glückliche Kinder sind auch eine Beruhigung für Eltern – irgendwie haben wir dann ja wohl doch alles richtig gemacht, oder ? Unserem Kind geht es gut. (Und umgekehrt bei einem unglücklich scheinenden Kind wohl alles falsch !) Gerade bei der „älteren Generation“ erlebe ich es zudem recht oft, dass sie mit einem weinenden („unglücklichen“) Kind nicht gut umgehen können, dass sie das ganz nervös macht. Und na klar, auch uns Eltern verunsichert es, wenn unser Kind „nicht glücklich“ scheint.

Auch kennen wir wahrscheinlich alle den Spruch „jemanden zu seinem Glück zwingen“ – ja auch gerne gebraucht gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche. Der Spruch beinhaltet, dass es einen gibt, der besser weiß, was „das Richtige“ ist und sich über den anderen erhebt und ja, letztlich auch entsprechende Macht ausübt. Auch „beliebt“ in diesem Zusammenhang (evtl. mit leicht vorwurfsvollem Unterton): „Ich wollte doch nur das Beste für Dich!“ Alles gut gemeint und aus der Liebe geboren – und doch kann dies auch sehr schwierig und belastend erlebt werden und an der eigenen Entfaltung hindern.

Wikipedia schreibst dazu u.a.:

„Das Wort „Glück“ kommt von mittelniederdeutsch gelucke/lucke (ab 12. Jahrhundert) bzw. mittelhochdeutsch gelücke/lücke. Es bedeutete „Art, wie etwas endet/gut ausgeht“. Glück war demnach der günstige Ausgang eines Ereignisses. Voraussetzung für den „Beglückten“ waren weder ein bestimmtes Talent noch auch nur eigenes Zutun. Dagegen behauptet der Volksmund eine mindestens anteilige Verantwortung des Einzelnen für die Erlangung von Lebensglück in dem Ausspruch: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Die Fähigkeit zum Glücklichsein hängt in diesem Sinne außer von äußeren Umständen auch von individuellen Einstellungen und von der Selbstbejahung in einer gegebenen Situation ab.“

Oder philosophisch betrachtet: „Was den antiken Glücksbegriff vom modernen tendenziell unterscheidet, liegt in dem Bemühen der frühen Philosophen, objektive Glücksmaßstäbe zu entwickeln (d. h. äußere Güter oder innere Haltungen des Menschen), aus deren Erfüllung das Lebensglück abzuleiten sei („Erfüllungsglück“), während die moderne Auffassung eher von subjektiven, episodischen Eigenbewertungen der Individuen ausgeht („Empfindungsglück“)“

Also Glück entweder als etwas Unvorhergesehenes, Unbeeinflussbares, oder eben als komplett alleine vom Individuum abhängig und in der Verantwortung eines Jeden selbst („Jeder ist seines Glückes Schmied“ ggf. ergänzt um „aber nicht jeder Schmied hat Glück“ ). Als von außen „objektiv“ messbare und in bestimmte Kriterien einfassbare und damit weniger bedrohliche Größe – oder als völlig subjektives Empfinden. Oder vielleicht auch von allem etwas.

Ich glaube schon, dass „Glück“ hauptsächlich auch Eigendefinition ist – was macht mich glücklich? Womit fühle ich mich gut? Und das ist individuell – was mich glücklich macht, muss für Dich nicht das Gleiche sein. Und es ist veränderlich, kann morgen oder übermorgen ggf. anders sein.

Bleibt die Eingangsfrage: was macht Kinder glücklich? Und was kann ich als Eltern dazu tun?

Verallgemeinern kann man das also aus meiner Sicht nicht. Auch denke ich, dass das teilweise altersabhängig oder auch entwicklungsstufenabhängig ist. Ein Baby oder sehr kleines Kleinkind braucht meine Nähe und ggf. Körperkontakt, alles was die Bindung fördert, zu seinem Glück oder dafür, sich sicher zu fühlen – vielleicht nicht immer, aber doch oft. Ein Kind im Alter bis vielleicht ca. 6 Jahre, das noch fast ausschließlich im Moment, im Hier und Jetzt lebt, da wirkt Glück auch verstärkt als momentaner Zustand, mit dessen Gestaltung ich vieles auch wieder „auffangen“ kann: gerade noch „totunglücklich“, im nächsten Moment „himmelhochjauchzend“. Wenn ich mit meinem Kind über die Wiese hopse, Schmetterlinge beobachte, durch Pfützen wate, wir etwas zusammen tun, woran beide Spaß haben (was ja auch individuell unterschiedlich ist *g*), das sind Momente des Glücks, für uns beide. Je älter das Kind wird, kommen immer mehr Faktoren dazu: das Gefühl von Freiheit oder das tun zu können, was man liebt.

Wir kennen es in unserer Gesellschaft eher so, dass unser Glück/Glücksgefühl (oder vielleicht auch nur das, was wir dafür halten?) oft an äußere Bedingungen gebunden ist, oft auch z.B: an Bewertungen, an Lob, an Geld, daran, ob ich gemocht werde.

So glaube ich schon, dass es Faktoren gibt, die zum Glück eines Kindes beitragen können:

  • Sich sicher fühlen
  • Sich angenommen fühlen
  • Sich gesehen fühlen
  • Sein dürfen, wie man ist
  • Sich selbtwirksam fühlen
  • Sich keine Gedanken darüber machen müssen, wo z.B. das Essen herkommt und ob viel oder wenig Geld vorhanden ist, die eigene Existenz in Frage gestellt sehen
  • Bedingungslos geliebt werden
  • Verlässliche Bindungen und Beziehungen

Was können wir Eltern dazu tun?

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass unsere Kinder uns als verlässlich erleben, als eine Art sicheren Hafen. Ich meine damit nicht, dass wir auf alles eine Antwort wissen müssen, perfekt und tiefenentspannt. Sondern dass sie uns erleben als jemanden, zu dem sie immer hinkommen können, egal mit welcher Freude oder Not, der ihnen hilft eine Lösung zu finden – im besten Falle in sich selbst.Der für sie „da“ ist. Dazu müssen wir hinschauen und zuhören. Die Bedürfnisse unserer Kinder sehen, die heute anders sein können als morgen, und beim Sohn anders als bei der Tochter. Und anders als unsere Eigenen. Achtsam sein, Situationen und Gefühle wahrnehmen. Denn es ist eine Sache, wenn wir sagen „aber ich sehe mein Kind doch, ich nehme es an, so wie es ist! Und natürlich liebe ich es bedingungslos!“ Die Frage ist, ob das auch bei meinem Kind so ankommt, ob es sich denn tatsächlich angenommen oder sicher, wahrgenommen oder gesehen FÜHLT. Vieles kann unser Kind dann vielleicht noch nicht ausdrücken, zumindest nicht verbal, auch da liegt es an uns, ein Gefühl für die feinen Schwingungen zu entwickeln, für eventuelle Dissonanzen in unserer Beziehung. Bindung und Beziehung sind sowieso Dreh- und Angelpunkt des Ganzen. Je nachdem, wie wir selbst aufgewachsen sind, kann das viel Arbeit und Selbstreflexion bedeuten. Eine Anleitung oder einen „7-Schritte-Plan“ gibt es hierbei nicht. Aber unsere Kinder brauchen auch gar keine perfekten Eltern, wir dürfen da gemeinsam wachsen. Und in Kontakt mit unserem Kind bleiben, auch „zugeben“, wenn wir uns geirrt haben oder gerade keine Antwort wissen („lass es uns gemeinsam rausfinden!“) – oder unsere Meinung ändern. Und auch einfach mal miteinander unglücklich sein dürfen, ein Unglücklichsein unseres Kindes aushalten und es dabei halten und begleiten. Die gesamte Gefühlspalette erleben dürfen. Und auch das ist keine Einbahnstrasse – auch wir selbst müssen kein dauerstrahlender Glückskeks sein, dem die Sonne aus dem Popo und so, na Ihr wisst schon. (Aber wir haben die Verantwortung dafür, Selbstfürsorge zu betreiben oder uns Hilfe zu holen, vielleicht auch mal von Überzeugungen abzurücken, oder was immer nötig ist, wenn Unglück oder Überforderung zum Dauerzustand werden ! Denn sonst fühlt sich das Kind dafür verantwortlich und glaubt, es sei seine Schuld, wenn es der Mama oder dem Papa schlecht geht.)

Auf Dauer glücklich macht auch, wenn man gar nicht immer glücklich sein muss.

 

Mein Beitrag zur Blogparade „Aktion Glücksknirpse“ des Kinder-Gesundheitskongresses.

 

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5 Kommentare, sei der nächste!

  1. Danke Lena, für diesen tollen Artikel!

    Es gibt einen Punkt, der mich beim Lesen hat innehalten lassen:
    „Sich keine Gedanken darüber machen müssen, wo z.B. das Essen herkommt und ob viel oder wenig Geld vorhanden ist, die eigene Existenz in Frage gestellt sehen“

    Viele Familien die ihren Kindern auf Augenhöhe begegnen wollen, befürworten ja einen offenen und gleichberechtigten Umgang mit Geld.

    Ist das nicht ein Widerspruch? Wie siehst du das?

    1. Liebe Nina,
      ja, ich habe auch einige Zeit an der Formulierung überlegt, fand das grundsätzliche Ansprechen aber wichtig. Ich dachte noch an „sich nicht verantwortlich fühlen müssen“, fand das dann aber auch nicht ganz passend – denn auch wenn sie es nicht müssen, so tun Kinder das nun mal sehr schnell. Gedanken machen ist auch nicht wirklich richtig, denn grundsätzlich ist es ja keine schlechte Idee, wenn sich da alle Familienangehörigen Gedanken machen. Vielleicht „keine es überfordernden“ Gedanken ? Wobei das ja auch immer individuell ist und teilweise auch gar nicht jetzt absehbar, was irgendwann sich überfordernd auswirkt. Was ich meine, ist, dem Kind etwas aufzubürden (auch unbewusst), was nicht zu ihm gehört und es damit mit existentiellen Gedanken an seiner eigenen Entfaltung, seinem Leben zu hindern. Ein Kind sollte niemals Existenzängste haben müssen. Das hängt nicht primär an der Menge des in der Familie vorhandenen Geldes, es ist auch wieder mehr eine Frage der Haltung und der Beziehung und schließt einen offenen Umgang nicht aus (wobei man immer schauen muss – vielleicht muss er nicht „schonungslos offen“ sein?). Diesen Satz wollte ich, wie auch immer, aus eigener Erfahrung heraus auch mit drin haben. Aber ich glaube, zum Umgang mit Geld und Gleichberechtigung mache ich auch nochmal einen Artikel. Vielen Dank für Deinen wichtigen Hinweis!

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